Pflege-Report 2022: Spezielle Versorgungslagen in der Langzeitpflege

Pflege-Report zeichnet Bild der letzten Lebensphasen im Pflegeheim

Berlin. Die Pflege und Begleitung von Menschen am Lebensende ist ein wesentlicher Bestandteil des Alltags in deutschen Pflegeheimen. Rund jeder dritte innerhalb eines Jahres verstorbene AOK-Versicherte lebte in einem Pflegeheim. Deutlich mehr als die Hälfte davon wurde in den letzten zwölf Wochen vor dem Tod mindestens einmal in ein Krankenhaus verlegt. Auf Basis von AOK-Routinedaten beleuchtet der Pflege-Report, der vom Wissenschaftlichen Institut der AOK (WIdO) herausgegeben wird, Krankenhaus-Verlegungen von Pflegeheimbewohnenden unmittelbar vor dem Lebensende. Eine ergänzende Befragung von 550 Pflegefach- und Assistenzpersonen zeigt die Diskrepanz zwischen Versorgungswunsch und -wirklichkeit.

Dr. Carola Reimann, Vorstandsvorsitzende des AOK-Bundesverbandes, sieht in der stärkeren Integration der Hospizdienste in den Langzeitpflege- einrichtungen die Chance, dass Menschen in den Pflegeheimen und ihre Angehörigen in der letzten Phase gut begleitet werden können. Dazu gehören auch die Verbesserung der sektorenübergreifenden Prozesse und die Stärkung der berufsgruppenübergreifenden Zusammenarbeit. „Palliativ-Kompetenzen von Ärzten und Pflegenden müssen weiterentwickelt, die interprofessionelle Zusammenarbeit intensiviert sowie ausreichend personelle Ressourcen bereitgestellt werden“, fordert Reimann. Ein wichtiger Indikator für eine qualitativ angemessene Versorgung von Pflegeheimbewohnenden vor dem Versterben sind Krankenhauseinweisungen. In den Jahren 2018 und 2019 wurden rund 56 Prozent aller Pflegeheimbewohnerinnen- und -bewohner innerhalb der zwölf Wochen vor ihrem Lebensende mindestens einmal in ein Krankenhaus verlegt. Das ist eine im internationalen Vergleich hohe Krankenhaus-Verlegungsrate. Die Krankenhausaufenthalte verdichten sich kurz vor dem Tod. Jeder dritte Pflegeheimbewohnende befand sich 2018 und 2019 in seiner letzten Lebenswoche für mindestens einen Tag im Krankenhaus.

Befragung zeigt, wo es hakt

Wichtige Hinweise, wie sich die Versorgung am Lebensende in der Praxis darstellt, gibt die Befragung von rund 550 Pflegefach- und Assistenzpersonen.

„Die Diskrepanz von Versorgungswunsch der pflegebedürftigen Menschen und Wirklichkeit wird hier deutlich“, so Schwinger. So erlebt jeder Fünfte monatlich oder häufiger, dass Bewohnende am Lebensende in ein Krankenhaus eingewiesen werden, obwohl dies aus Sicht der Befragten nicht im besten Interesse der Versterbenden ist. Die Mehrheit der Befragten gibt an, dass sie beobachten, dass sich auf Druck der Angehörigen das Behandlungsteam für belastende beziehungsweise lebensverlängernde Maßnahmen entschied, obwohl die Patientenverfügung ein anderes Vorgehen nahegelegt hätte.

„Die als ‘Patientenverfügung‘ verbreiteten Standardformulare geben oft nicht das verlässlich wieder, was die betreffende Person tatsächlich zu dem Thema denkt und wünscht“, so Prof. Dr. Jürgen in der Schmitten, Direktor des Instituts für Allgemeinmedizin am Universitätsklinikum Essen und Erster Vorsitzender von Advance Care Planning Deutschland e.V. Advance Care Planning (ACP) stehe für „Behandlung im Voraus planen“ und sei ein wirksames Instrument, das eine Vorausplanung nicht nur für die letzte Lebensphase erlaubt. „Die gesetzliche Verankerung von Advance Care Planning (ACP) im Leistungsrecht der GKV war politisch visionär, aber nur ein erster Schritt“, so in der Schmitten. In der Umsetzung würden sich erhebliche Schwachstellen zeigen wie beispielsweise fehlende Standards für die Qualifizierung der ACP-Gesprächsbegleiterinnen sowie bürokratische Vorgaben, die die Umsetzung erschweren. Auch eine Ausweitung von ACP auf vulnerable Patientinnen im ambulanten Bereich wäre geboten. Ein weiterer Knackpunkt: Wie die an dieses Konzept anknüpfende Kassenleistung „Gesundheitliche Versorgungsplanung für die letzte Lebensphase“ wirkt und in welchem Maße Pflegeheimbewohnende profitieren, ist nicht bekannt. „Deshalb brauchen wir eine Evaluation zu Umsetzungsbarrieren und Wirkungen dieser Leistungen“, fordert Reimann.

Insgesamt müsse bei der Versorgung am Lebensende genauer hingeschaut werden. „Eine Weiterentwicklung der gesetzlichen Qualitätssicherung als auch die Umsetzung einer Bewohnerbefragung in den Pflegeeinrichtungen wären ein wichtiger Schritt.“

Die Herausforderungen, die für Pflegefachpersonen bei der Versorgung und Begleitung von Menschen am Lebensende bestehen, werden verstärkt durch die Personalsituation. Dies macht die WIdO-Befragung an mehreren Stellen deutlich: Zwei Drittel der Befragten sehen diese als eher ungenügend an, um die anfallende Arbeit zu erledigen. “Der Anspruch eines würdevollen Sterbens im Heim darf nicht an fehlenden Ressourcen scheitern“, betont Reimann.